JETZT GAB ES NUR NOCH EINEN WEG.

Vom eisigen Kältehauch in seiner Schneehöhle geweckt, wusste Peter Metcalf sofort: Es gab keinen Ausweg mehr. Er und seine Seilpartner, Glenn Randall und Pete Athans, kämpften alle mit Erfrierungen und totaler Erschöpfung am Südostgrat des Mt. Hunter. Nach neun Tagen am Berg waren die Vorräte fast aufgebraucht. „Uns war unausgesprochen klar, dass wir nicht mehr absteigen konnten – und dass wir keine Ahnung hatten, was vor uns lag“, schrieb Peter später. „Es gab jetzt nur noch einen Weg: weiter.“

Vor vielen Jahren entdeckte Peter sein Abenteuerherz in den staubigen, verlassenen Ecken seiner Heimatstadt New York City. Mit Brille auf der Nase und schlaksiger Statur streifte er durch diese urbanen Wildnisse, wühlte im alten Metallschrott und suchte nach Fröschen und Schlangen. Weit weg vom Einfluss seiner Eltern tauchte er ein in sein ganz eigenes Königreich. Hier wuchs in ihm ein starker Sinn für Unabhängigkeit – und die Liebe zu der Freiheit, die ihm die Natur schenkte.

Mit 14 schloss sich Peter einer Klettertour der Pfadfinder in den Gunks an – und sofort wusste er, dass er etwas gefunden hatte, das sein Leben prägen würde. „Es hat meine Fantasie beflügelt“, erzählt Peter. Klettern gab ihm einen Ort, an dem er seine Energie und seinen Kopf voll ausleben konnte. Nur ein Jahr nach seinem allerersten Aufstieg plante Peter schon sein erstes echtes Abenteuer: eine Reise mit Freunden – Leif Patterson, Lincoln Stoller und Jonny Waterman – zum Mt. Robson in Kanada. Dort wurden sie zum jüngsten Team, das die Kain Face bezwang.

Mit 24 hatte Peter schon drei Alaska-Expeditionen und mehrere Erstbegehungen auf dem Konto. Sein Leben drehte sich komplett um seine Kletterabenteuer – er fand seine Identität in der Community und im Sport. Doch eine Linie ließ ihn nicht mehr los: eine atemberaubend elegante Route, die ihn regelrecht in den Bann zog. Peters Entschlossenheit, die Südostkante des Mt Hunter zu klettern, war so groß, dass er 1980 einen Brief an seine Eltern schrieb, in dem er ihnen von seinem Ziel erzählte, die erste alpine Begehung dieser Route zu schaffen. Ihm war klar, dass er dabei sein Leben riskierte – und er schrieb das auch ganz offen. „Ich wusste genau, was ich vorhabe, kannte die Risiken und habe sie voll akzeptiert“, sagte er.

Am letzten Tag im April 1980 tauchte Peter zusammen mit Glenn und Pete in Talkeetna auf. Ihr Plan: das Spur besteigen, das mehrere Meilen lange Gipfelplateau queren und über den vier Meilen langen Westgrat absteigen. Im Jahr davor hatte Peter die vereiste Walker-Spur an einem Tag durchgezogen und mit etwas optimistischer Mathematik ausgerechnet, dass sie für den Hunter sechs Tage brauchen würden. Mit genau so viel Proviant, wie Peter kalkuliert hatte, machten sich die drei auf den Weg.

Oben am Berg lief es dann aber zäh. Bis zum fünften Tag bremste sie zeitraubender Fels aus – ein Band zwang Peter zu kniffligem A3, seine Steigeisen kreischten über den Stein. Glenn meisterte eine überhängende Rippe, und ab da war klar: Zurückklettern ist keine Option mehr. Am nächsten Tag, der eigentlich ihr letzter am Berg sein sollte, ließen Peter, Glenn und Pete den Gedanken ans Umkehren endgültig hinter sich.

„Die wichtigste Erkenntnis in diesem Moment war, dass wir aufhören konnten, Energie darauf zu verschwenden, wie wir wieder runterkommen“, sagte Peter. „Diese Einsicht, die wir alle drei hatten, war in vielerlei Hinsicht eine echte Erleichterung. Flucht war einfach keine Option mehr.“

Und so, mit praktisch keinem Essen mehr, zogen sie weiter. Glenns Finger waren eingefroren, voller Blasen und bluteten. Stürme tobten, verschlangen die Kletterer in wirbelndem Schneetreiben. Peter wärmte jede Nacht seine hölzernen Zehen an Petes Bauch. Die drei tranken heißes Wasser und schluckten Dexedrin – das letzte bisschen Proviant war längst aufgebraucht. Schließlich erreichten sie eine gezackte, messerscharfe Gratschneide, schmal und überwechtet. Von der Erstbegehung liebevoll The Happy Cowboy Pinnacles getauft, war der Grat nicht mal einen Fuß breit, und Peter verbrachte zwei Stunden völlig ungesichert im Spreizsitz, während er die lockeren Wechten abtrug. Am anderen Ende angekommen, überrollte ihn die Erleichterung – Peter schrie in den Wind: „Ich lebe! Ich lebe!“

Das Trio hatte längst aufgehört zu raten, wann sie es endlich vom Berg schaffen würden. Sie machten einfach weiter, konzentrierten sich auf jeden Schritt und jede Seillänge einzeln. Ihr Motto: Wenn wir das geschafft haben, was hinter uns liegt, packen wir auch das, was noch kommt. Und an Tag 13 stolperten sie schließlich ins Kahiltna Basecamp – abgemagert, völlig erschöpft. Sie sahen so verändert aus, dass Peter sich seinem guten Freund Charlie Fowler erst mal wieder vorstellen musste.

„Mt. Hunter war so ein Erlebnis, das ich für nichts auf der Welt missen möchte – und genauso wenig würde ich es noch einmal erleben wollen“, meinte Peter. „Solche Momente hast du wahrscheinlich nur einmal im Leben.“

Die Besteigung des Hunter wurde für Peter zu einem echten Bezugspunkt – ein Ort, aus dem er immer wieder Kraft schöpfen konnte. Nachdem er den Südostgrat bezwungen hatte, mit dem Tod stets im Nacken, wirkten Risiken im Business und im Leben plötzlich viel weniger bedrohlich. Neun Jahre später nahm er die Entschlossenheit und Stärke, die er am Mt. Hunter gefunden hatte, und gründete Black Diamond. „Ich kann mit Überzeugung sagen, dass es Black Diamond ohne diese Erfahrung am Hunter nie gegeben hätte“, sagte Peter.

Ich kann mit Überzeugung sagen: Ohne dieses Erlebnis am Hunter gäbe es Black Diamond heute nicht.

—Peter Metcalf

Vom Mt. Hunter brachte Peter ein echtes Gespür für Commitment, Leadership und Durchhaltevermögen mit. Genau wie damals am Southeast Spur hat er als frischgebackener Unternehmer eine komplexe Herausforderung in ihre Einzelteile zerlegt – und ist Tag für Tag drangeblieben. Für ihn war klar: Wenn das Team bei Black Diamond es bis hierher geschafft hat, packen sie auch alles, was noch kommt. So tickt echte Kletterausrüstung – und so ticken wir.

Und jetzt, 25 Jahre nach dem Start, trägt Black Diamond immer noch die gleichen Werte in sich, die Peter damals vom Mt. Hunter mitgenommen hat: leidenschaftliches Engagement, unerschütterliche Entschlossenheit und eine tiefe Liebe zu den Bergen – und zu dem Leben, das sie formen.
—Shey Kiester