
KEIN COMEBACK: HAZEL FINDLAY NACH DER GEBURT
BD-Athletin Hazel Findlay verrät ihre Tipps, wie du als frischgebackene Mama wieder ins Kletterleben einsteigst.
Du hast schon ein Konto?
Melde dich an, um schneller auszuchecken.
Irgendwie hab ich tief in mir diesen Willen gefunden und das Unfaire einfach weggesteckt. Und es hat geklappt. Ich hab nochmal gezogen, den Mono neu gesetzt und konnte dranbleiben. Schnell noch ein Stück Kletterausrüstung platziert, zum nächsten Fingerlock gegriffen – und dann einfach den Kopf ausgeschaltet.
Ich wusste, dass ich es schaffen kann, aber ich wusste auch, dass mein innerer Monolog – eine wilde Mischung aus Vorfreude, Ungeduld und all den Gedanken, die mein Kopf im Erfolgsfall spinnen würde – das Ganze in weniger als einer Sekunde ruinieren könnte. Also habe ich den Kopf ausgeschaltet, mich voll und ganz aufs Klettern konzentriert und die letzten technischen Züge mit absolutem Fokus durchgezogen.
Ich bin nicht besonders gut geklettert, aber der Druck war so groß, dass ich an nichts anderes denken konnte als: „Bloß hier nicht stürzen.“
Und da stand ich nun, oben auf der Cobra Crack. Ein wirklich magischer Moment. Einer dieser seltenen Augenblicke, die eigentlich nie hätten passieren dürfen. Mein Weg mit der Cobra war nämlich ganze 19 Jahre lang geprägt von Rückschlägen und Angst.
Die Haupt-Erinnerung an meine erste Saison, in der ich damals noch an einem Projekt gearbeitet habe, war der Regen. Ich habe zwei Monate in Squamish verbracht, und für mich war „Squamish“ einfach gleichbedeutend mit Regen – und damit mit nassen Rissen. Meine Versuche waren vielversprechend, aber bei diesem miesen Wetter hat meine Motivation irgendwann schlappgemacht, und ich bin mit leeren Händen abgereist. Im Jahr darauf bin ich wieder hingefahren. Drei Tage nach meiner Ankunft hat sich eine alte Knieverletzung zurückgemeldet, und ich musste mit Krücken abreisen und für eine OP zurück in die Schweiz. In dieser Zeit gab es noch ein paar andere Dinge, die dazu geführt haben, dass ich über 13 Jahre keinen Fels mehr angefasst habe. In meinem Kopf ist die Cobra von einem Kletterprojekt zu einer fernen Erinnerung geworden.
Wie das Leben so spielt, habe ich 2019 wieder mit dem Klettern angefangen. 2022 bin ich dann der Liebe wegen nach Squamish gezogen. Plötzlich war die Cobra quasi mein Hinterhof, und mein Fortschritt am Fels hat mir das Selbstvertrauen gegeben, das Abenteuer noch einmal anzugehen. Im Jahr darauf habe ich es dann wirklich versucht. Gerade hatte ich eine neue, richtig knackige Rissroute geklettert – die Crack of Destiny. Mein Level hätte also eigentlich gereicht, um das zu schaffen, was ich damals nur „Du-weißt-schon-was“ genannt habe.
Ehrlich gesagt, die Cobra hat mir echt Angst gemacht. Ich hatte Schiss zu scheitern – aber noch mehr davor, was die anderen denken würden, wenn ich wieder auf die Nase falle. Am Ende war das Klettern dann aber überraschend easy – dank der neuen Heel-Hook-Technik und meinem Training für den Crack of Destiny. Doch am dritten Tag, als ich nach dem letzten Griff gegriffen hab, bin ich abgegangen, hab einen fetten Sturz hingelegt und mir das Handgelenk in drei Teile gebrochen. Die Klettersaison war für mich damit schlagartig vorbei, und meine Beziehung zur Cobra? Von Happy End keine Spur – stattdessen das nächste Drama. Kaum zu fassen. Es fühlte sich an, als hätte das Schicksal was gegen mich, und der Gedanke an einen Fluch schwebte wie ein Aasgeier über mir.
Haben all diese Rückschläge rund um die Cobra nicht gezeigt, dass es Zeit war, weiterzuziehen, loszulassen, einfach abzuschließen? Und dann war da natürlich noch diese Angst, die ich schon erwähnt habe. Die Angst zu scheitern – aber noch mehr die Angst vor dieser Art von Blamage, die jeder spürt, der sich voll reinhängt und ein Ziel verfolgt, das vielleicht eine Nummer zu groß ist. Diese Angst wurde noch größer, weil ich längst nicht mehr zu denen gehöre, die man die Jungen nennt – zu dieser Gruppe, die sich den Luxus leisten kann, ihre Zeit auch mal für das scheinbar Sinnlose zu verschwenden.
Aber da war noch etwas anderes, das in mir nachhallte. Dieses leise Flüstern im Herzen, der Wunsch, es wirklich durchzuziehen, der Wille, die Ziellinie zu überqueren. Die Cobra zu klettern war der Traum meiner Jugend – und irgendwie ist er das immer noch. Abgesehen davon, dass sie zu den härtesten Rissen der Welt gehört, ist sie auch einer der schönsten. Perfektes Terrain für echte Kletterausrüstung und große Träume.
Ich wusste auch, dass ich ein neues Stück Kletterausrüstung in die Headwall legen konnte – so blieb mir ein weiterer potenzieller Handgelenk-Killer erspart. Und dann war da noch dieses wachsende Gefühl von Verantwortung in mir. Mir wurde etwas geschenkt, das nur wenige bekommen: Erstens ein gewisses Talent fürs Klettern, besonders fürs Rissklettern. Zweitens die Chance auf einen Neuanfang. Selbst nach 13 Jahren Pause war es für mich nicht allzu schwer, wieder auf ein ziemlich hohes Kletterniveau zu kommen. Und jetzt lebe ich hier in Squamish, wo die Cobra wartet. Und wie könnte ich all die Kletterer und Freunde nicht erwähnen, die an mich glauben und mich immer wieder motivieren, nicht aufzugeben.
War es dann nicht meine Aufgabe, das durchzuziehen und mein Talent sowie all die Chancen zu nutzen, die mir gegeben wurden?
Also, ich hab mich wieder entschieden, alles zu geben. Aber diesmal geht mein Commitment tiefer als je zuvor. Ich hab mir vorgenommen, meine Ängste wirklich anzugehen – wie noch nie. Mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und den Bann zu brechen.
Wie der Dichter schon sagte: „Du kannst alles schaffen, was du dir vornimmst, Mann.“ Und das fing damit an, dass ich das Biest beim Namen nannte: Cobra Crack. Ich hab auch ganz offen meinen Freunden erzählt, dass mein Projekt die Cobra Crack ist – und mich damit voll dem Risiko ausgesetzt, genau wie vorher beschrieben, verurteilt zu werden. Am Ende hab ich alle anderen Projekte auf Eis gelegt, egal wie lange es dauern würde, um die Cobra zu knacken. Ich hab akzeptiert, dass ich wie ein moderner Sisyphos wirken könnte, der seinen Stein immer wieder den Berg hochrollt. Jetzt war die Zeit gekommen – vielleicht nicht für den Erfolg, aber für Mut und Entschlossenheit. Zeit, einfach klettern zu gehen, selbst wenn Scheitern oder Gerede die Folge wären. Es war Zeit, nicht nur frei zu klettern, sondern auch frei zu leben.
Was war das Geheimnis zum Erfolg? Lag es an der inneren Reise, die nötig war, um das loszuwerden, was ich vielleicht meinen Fluch nennen würde? Sich der eigenen Angst stellen, mehr riskieren als je zuvor, Scheitern und Gerede als mögliche Folgen akzeptieren – und dann einfach klettern gehen, ohne anderen Grund als Spaß zu haben, alles zu geben, die Leidenschaft zu leben und zu teilen, und kostbare Zeit mit großartigen Menschen zu verbringen? Wer weiß … Aber die Chancen stehen gut, dass genau das der Schlüssel war.
Egal wie – hätte ich die Cobra nicht durchgezogen, hätte ich mich wohl nie so reingehängt. Und dann hätte ich echt eine der wertvollsten Lektionen verpasst, die dir das Klettern überhaupt geben kann.
--Didier Berthod, BD Ambassador
„The Cobra and the Heart“ ist ein Highlight in Reel Rock 19 und begleitet Didiers 20-jährige Reise – von einer spirituellen Erleuchtung über familiären Verrat, den Kampf einer alleinerziehenden Mutter bis hin zu einer seltenen zweiten Chance. Für Vorführungen und mehr Infos schau einfach vorbei auf: ReelRockTour.com.